Wenn man den Zahlen glauben darf, steigt die Zahl der Paare, die sich ihren Kinderwunsch nicht erfüllen können, stetig an.

In Deutschland möchte jedes 5. bis 7. Paar Kinder haben, ohne dass der Wunsch in Erfüllung geht.

Grund für das „Desaster“ ist laut Statistik nicht die Frau alleine. Rund 40 Prozent der Ursachen für die Kinderlosigkeit sind bei der Frau zu suchen, weitere 40 Prozent beim Mann, 10 Prozent bei beiden gleichzeitig und die restlichen 10 Prozent liegen bei…. Ungeklärt (msd-gesundheit.de/fileadmin/files/
Kinderwunsch/Downloads/MSD-Kinderwunschbroschuere.pdf
).

Wir erfahren weiter, dass in den letzten Jahrzehnten die Qualität der Spermien der Männer in Industrieländern signifikant abgenommen hat, was ein weiterer wichtiger „Beitrag“ zur Unfruchtbarkeit und damit Kinderlosigkeit anzusehen ist. Woran das nun wieder liegt, das wäre ein interessantes Thema, zumal hier interessanterweise nur die Männer aus den Industrieländern betroffen zu sein scheinen.

Wie die Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit für Mann und Frau aussehen können, das habe ich hier beschrieben:

Über die Möglichkeiten, hier entsprechend gegenzusteuern, berichten diese beiden Beiträge:

Sie werden bei der Lektüre der beiden Beiträge feststellen können, dass hier keine Patentrezepte verabreicht werden.

Vielmehr liegt die Voraussetzung für das Ende der Kinderlosigkeit in der Regel in der Veränderung von Faktoren, die man selbst beeinflussen kann – falls keine organische Ursache für die Kinderlosigkeit verantwortlich ist.

Die Schulmedizin kennt auch hier wieder nur den Einsatz von Chemie (siehe MSD-Gesundheit Broschüre oben). Aber auch im mehr alternativmedizinischen Bereich gibt es Tendenzen, segmentiell schulmedizinisch vorzugehen, nur nicht mit Chemie, sondern mit „natürlichen Substanzen“.

So „stolperte“ ich über eine Webseite (kindeshalb.de/bryophyllum/), die ein absolutes „Geheimrezept“ bereithält: Bryophyllum bei Kinderlosigkeit.

Was bei der „Rezension“ dieser Alternative herauskam ist alles andere als eine Empfehlung.

Denn die Webseite erwähnt den Einsatz von Bryophyllum, kann aber selbst die Frage nach der Effektivität der Heilpflanze nicht beantworten.

Bryophyllum – der Exot unter den Exoten

Die Pflanze hat verschiedene Namen: „Keimzumpe, Springkraut und Brutblatt“. Sie kommt praktisch nur auf Madagaskar vor, mit Ausnahme einer weiteren Art, die auch auf den Komoren zu finden ist. Es gibt einige wilde Bestände in anderen tropischen Ländern, die jedoch auf eine „Verschleppung“ hinweisen.

Bryophyllum ist für die Alternativmedizin kein Unbekannter, speziell für die Anthroposophische Medizin. Hier wird der Extrakt für die Wehenhemmung genommen, auch Tokolyse in der Schulmedizin genannt. Es gibt andere schulmedizinische Indikationen, die die Heilpflanze abzudecken vermag. Nur eine Indikation scheint hier zu fehlen – die Wirkung bei Unfruchtbarkeit.

Bei meiner Suche nach wissenschaftlicher Literatur speziell zu diesem Thema bin ich absolut nicht fündig geworden. Es gibt eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen für Bryophyllum, aber keine zur Frage von Unfruchtbarkeit und Kinderwunsch. Das heißt natürlich nicht, dass Bryophyllum hier keine Wirksamkeit haben kann. Das heißt nur, dass wir offensichtlich zu diesem Thema noch nichts wissen, weil bislang niemand nach der Wirksamkeit bei Unfruchtbarkeit geforscht hat. Von daher scheint es nur allgemeine beziehungsweise anekdotische Fallbeispiele zu geben, wo die Heilpflanze eine Wirkung gezeigt zu haben scheint. Ob hier Zufälle mit im Spiel waren oder ob der Einsatz eine objektivierbare Wirkung hat, das lässt sich beim aktuellen wissenschaftlichen Stand der Dinge nicht einschätzen.

Das mag enttäuschend sein. Auf der anderen Seite gibt es wissenschaftliche Arbeiten zu Bryophyllum, die in anderen Indikationen mit überraschenden Ergebnissen aufwarten.

Wie bereits erwähnt, setzt die Anthroposophische Medizin Bryophyllum bei der Tokolyse ein. In der Schulmedizin werden hier als Mittel der Wahl Beta-Mimetika eingesetzt. Eine Studie aus dem Jahr 2006 bescheinigte Bryophyllum, die bessere Alternative bei der Tokolyse zu sein:

Intravenous tocolysis with Bryophyllum pinnatum is better tolerated than beta-agonist application.

Die Wirkung von Bryophyllum und Beta-Mimetika scheint gleich gut zu sein. Signifikante Unterschiede sahen die Autoren jedoch bei der Nebenwirkungsrate, die bei den Beta-Mimetika deutlich höher ausfiel. Ich denke, dass gerade bei einer Schwangerschaft eine niedrige Nebenwirkungsrate noch mehr an Gewicht gewinnt als bei der Therapie von Erkrankungen.

Aus dem gleichen Schweizer Klinikum mit teilweise den gleichen Autoren wie in der zuvor diskutierten Arbeit kommt diese Studie:

The Application of Bryophyllum pinnatum Preparations in Obstetrics and Gynaecology – a Multicenter, Prospective Observational Study.

Hier erwähnen die Autoren zu meiner Überraschung, dass Bryophyllum teilweise schon seinen Einzug in die Schulmedizin zu haben scheint. Auch hier wurde die tokolytische Wirkung der Heilpflanze untersucht. Resultate: Gut bis sehr gut! Rund 14 Prozent der Patientinnen erhielt Bryophyllum zudem als „Beruhigungsmittel“ und 5 Prozent als „Schlafmittel“ bei Schlafstörungen.

Sleep Quality Improves During Treatment With Bryophyllum pinnatum: An Observational Study on Cancer Patients. 

Eine weitere Arbeit aus diesem Klinikum zeigte, dass neben der tokolytischen Wirkung Bryophyllum auch eine beruhigende und schlafinduzierende Wirksamkeit zu besitzen scheint. Die Autoren unternahmen eine Beobachtungsstudie an Krebspatienten mit Schlafstörungen, was kein ungewöhnliches Problem bei diesen Patienten ist. Resultate: Unter der Gabe von Bryophyllum schien sich die subjektive Schlafqualität nach 3 Wochen signifikant gebessert zu haben. Die Autoren sind sich bewusst, dass diese Beobachtungsstudie keinen allzu gewichtigen wissenschaftlichen Aussagewert hat. Daher empfehlen sie entsprechende wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema.

Sleep quality in pregnancy during treatment with Bryophyllum pinnatum: an observational study.

Eine entsprechende Studie wurde von den gleichen Autoren mit schwangeren Patientinnen mit Schlafstörungen durchgeführt. Auch hier das gleiche Ergebnis wie in der Studie mit Krebspatienten:  Eine deutliche Verbesserung von Schlafqualität und Verringerung von Müdigkeit während des Tages. Die Autoren sahen jedoch keine Verlängerung der Schlafdauer unter Bryophyllum.

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Weitere wissenschaftliche Arbeiten zu verschiedenen Indikationen

Es gibt eine Reihe von weiteren Indikationen, bei denen Bryophyllum sehr interessante Ergebnisse zeigen konnte. Hier eine kurze Übersicht über die einzelnen Indikationsgebiete und was die Wissenschaft dazu herausgefunden hat.

Bryophyllum scheint eine gute neurosedative, krampflösende und muskelrelaxierende Wirkung zu besitzen, was auch bei der Tokolyse notwendig ist, um zu früh einsetzende Wehen zu verhindern: Neurosedative and muscle relaxant activities of aqueous extract of Bryophyllum pinnatum.

Im Laborversuch zeigte Bryophyllum, dass es eine relaxierende Wirkung auf die Gebärmutter hat: Leaf press juice from Bryophyllum pinnatum (Lamarck) Oken induces myometrial relaxation. 

Eine Studie mit schwangeren Ratten und überdosiertem Bryophyllum zeigte, dass es keine fetalen Missbildungen unter Bryophyllum gab. Und auch die Muttertiere zeigten keine Veränderung bis auf ein etwas erhöhtes Körpergewicht bei der Gruppe, in der die Höchstdosis verabreicht worden war: Effects of chronic Bryophyllum pinnatum administration on Wistar rat pregnancy.

Bryophyllum hat auch entzündungshemmende, schmerzlindernde und ödemhemmende Wirksamkeit: Mechanisms Underlying the Antinociceptive, Antiedematogenic, and Anti-Inflammatory Activity of the Main Flavonoid from Kalanchoe pinnata.

Eine weitere Laborarbeit berichtet von einer anti-kanzerogenen Wirkung von Bryophyllum. Die Wirkung kommt durch eine Störung des Zellzyklus zustande, die die Teilung der Krebszellen unterbricht: Anticancer activity of Kalanchoe tubiflora extract against human lung cancer cells in vitro and in vivo.

Eine ganz neue Arbeit untersucht die Wirkung von Bryophyllum als Antikonvulsivum bei Mäusen im Vergleich zu Diazepam. Ergebnis: Die bei den Tieren künstlich ausgelösten Krämpfe (mit möglichem tödlichen Ausgang) wurden von verschiedenen Konzentrationen an Bryophyllum-Extrakt zu 100 Prozent abgefangen und tödliche Verläufe verhindert. Terpene und Sterole wurden als die wirksamen Bestandteile identifiziert. Die vergleichende Wirkung zu Diazepam wurde im Abstract nur kurz als „ähnlich“ bezeichnet: Anticonvulsant activity of methanolic extract from Kalanchoe pinnata Lam. stems and roots in mice: A comparison to diazepam.

Bryophyllum scheint auch ein potenter Radikalenfänger zu sein: In vitro efficacy of Bryophyllum pinnatum leaf extracts as potent therapeutics.

Dazu gesellen sich noch anti-virale und anti-bakterielle Eigenschaften:

Anti-HSV-1 and HSV-2 flavonoids and a new kaempferol triglycoside from the medicinal plant Kalanchoe daigremontiana.
Report: Antimicrobial activity of Kalanchoe laciniata.

Es gibt auch Belege, dass Bryophyllum eine anti-hypertensive Wirkung ausübt. Eine Studie aus Ghana konnte dies zeigen. Bei der Untersuchung ergab sich leider eine immer üblicher werdende Nebenbeobachtung: Verunreinigungen von natürlichen Substanzen mit Umweltgiften. Die Autoren beobachteten bei ihrer Analyse eine solche Verunreinigung mit den Schwermetallen Blei und Arsen. Sie schlossen daraus, dass die aus Sicht der Gesundheit positive blutdrucksenkende Wirkung von derartigen Bryophyllum-Extrakten durch eine Schwermetallbelastung wieder zunichte gemacht wird oder vielleicht sogar noch verschlechtert wird: Micro and Macro Element Composition of Kalanchoe integra Leaves: An Adjuvant Treatment for Hypertension in Ghana.

Fazit

Kinderwunsch durch Bryophyllum kann möglich sein. Ob es hier eine zuverlässige Wirkung gibt, das weiß niemand zu sagen. Die Einnahme – und das ist das eigentlich Wichtige momentan – während beziehungsweise vor der Schwangerschaft scheint keine gesundheitlichen Probleme für Mutter und Kind mit sich zu bringen. Inwieweit eine Einnahme während der Schwangerschaft als „Dauermedikation“ zu empfehlen ist, das müsste jede Patientin mit ihrem Gynäkologen besprechen, falls eine Indikation vorliegen sollte.

Beitragsbild: 123rf.com – Alexander-Raths

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