Manche Pflanzen passen nicht ins Raster der modernen Pharmakologie – sie sind zu komplex, zu wirkungsvoll, zu wenig patentierbar. Artemisia annua ist so ein Fall. Seit über zwei Jahrzehnten beobachte ich in der Praxis, wie stark der Einjährige Beifuß bei chronischen Infekten, Entzündungen und sogar bei Tumorgeschehen wirkt – aber eben nur dann, wenn man ihn nicht auf einen Wirkstoff reduziert.
Die Pharmaindustrie isoliert Artemisinin, optimiert es chemisch, verpackt es in Derivate. Doch dabei geht ein Großteil der naturgegebenen Intelligenz dieser Pflanze verloren. In diesem Beitrag zeige ich, warum Artemisinin zwar pharmakologisch faszinierend ist, die ganze Pflanze aber oft die bessere Wahl bleibt. Und ich gehe auf die Heilverfahren ein, mit denen ich Artemisia kombiniere: darunter Bitterstofftherapie, Mitochondrienmedizin, Heilpilze und entgiftende Fastenkuren.
Wenn Sie wissen wollen, warum Artemisia annua so viel mehr ist als ein Antimalariamittel – dann lesen Sie weiter.
Beginnen wir mit der Frage:
Was ist Artemisinin eigentlich genau?
Artemisinin ist ein Sesquiterpen – eine Unterform der Terpene, von denen es über 3000 Varianten gibt. Terpene selbst sind eine der vielfältigsten Gruppen sekundärer Pflanzenstoffe. Artemisinin kommt ausschließlich in den Blättern und Blüten des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua) vor.
Auffällig ist die chemische Struktur: drei ineinander übergehende Ringstrukturen und – besonders relevant – eine Peroxidbrücke, die für die pharmakologische Wirkung entscheidend ist.
Terpene finden sich primär in Pflanzen, zum Teil auch im Tierreich. Sie bilden Hauptbestandteile vieler ätherischer Öle und übernehmen dort vielfältige biologische Aufgaben – etwa als Botenstoffe, Abwehrmechanismen oder Heilsubstanzen. Insgesamt kennt man heute über 8000 Terpene und rund 30.000 Terpenoide.
Artemisinin in der modernen Pharmakologie
Zur Behandlung der Malaria nutzt die Pharmaindustrie heute halbsynthetische Derivate von Artemisinin – darunter Artesunat, Artemether und Artemotil. Diese Präparate gelten laut WHO als „unverzichtbare Medikamente“. Sie werden jedoch nicht mehr als Monotherapie eingesetzt, da früh Resistenzbildungen auftraten.
Ein Beispiel für ein Kombinationspräparat ist Lumefantrin, das eine deutlich längere Halbwertszeit als Artemisinin besitzt (4–6 Tage) und ebenfalls über das Enzym Cytochrom P450 3A4 abgebaut wird. Das deutet darauf hin, dass Artemisinin-Derivate in Kombination mit Lumefantrin eine verlängerte Wirkdauer entfalten können.
Artemisinin: ein neuer Stoff mit alter Geschichte
Die Pflanze Artemisia annua wird in der chinesischen Heilkunde seit über 2000 Jahren verwendet – u. a. bei Fieber, Hauterkrankungen und Malaria. Erste schriftliche Hinweise stammen aus den „52 Verschreibungen“, die in den Mawangdui-Gräbern aus der Han-Dynastie (2. Jh. v. Chr.) entdeckt wurden.
Die erste konkrete Beschreibung ihrer Anwendung gegen Malaria findet sich im Werk „Zhouhou Beiji Fang“ (Handbuch für Notfall-Verschreibungen) aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. – mit 43 Anwendungen zur Behandlung von Malaria.
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Die Entdeckung im Projekt 523
Im Jahr 1960 rief die chinesische Armee das „Projekt 523“ ins Leben, um ein wirksames Mittel gegen Malaria zu finden. Die leitende Wissenschaftlerin Tu Youyou durchforstete über 2000 klassische Texte, analysierte über 380 Heilpflanzenextrakte – und stieß dabei auf Artemisia annua.
Sie und ihr Team verbesserten die Extraktionstechnik, senkten die Toxizität und erhöhten die Wirksamkeit. 1972 gelang die Isolation der reinen Substanz – Artemisinin. In China heißt sie „Qinghaosu“.
Prof. Tu war maßgeblich an der Aufklärung der chemischen Struktur und Pharmakologie beteiligt. Die Substanz wirkte nicht nur zuverlässig gegen Plasmodien, sondern beseitigte sie auch deutlich schneller als bisher bekannte Medikamente.
Die Pflanze wächst weltweit, wodurch die Versorgung mit Rohstoffen gesichert ist – anders als bei manchen Heilpilzen, die nur unter speziellen Bedingungen gedeihen.
Misstrauen, Geheimhaltung, WHO
Die Entdeckung von Artemisinin war nicht nur ein wissenschaftlicher Meilenstein, sondern auch ein geopolitischer Zündstoff. Die chinesische Regierung hielt die Ergebnisse des „Projekt 523“ jahrelang unter Verschluss – aus gutem Grund. Man traute dem Westen nicht zu, fair mit der Entdeckung umzugehen. Zu groß war die Sorge, dass Konzerne das Wissen um die Pflanze enteignen, patentieren und ökonomisch ausschlachten könnten. Diese Sorge war nicht unbegründet – sie wurde zur Realität.
Als die WHO 2006 schließlich Artemisinin als Mittel der ersten Wahl gegen Malaria anerkannte, war der lukrative Teil des Geschäfts längst in westlicher Hand. Patentierte Derivate wie Artesunat und Artemether dominierten den Markt – verbessert in ihrer Bioverfügbarkeit, aber weit entfernt vom pflanzlichen Original. Gleichzeitig sprach sich die WHO für ein Verbot der Monotherapie aus – mit Verweis auf drohende Resistenzentwicklungen.
Doch diese Entscheidung kam spät – und wirft Fragen auf: Wurden die isolierten Substanzen jemals unabhängig genug getestet, um so weitreichende Empfehlungen zu rechtfertigen? Oder wurde hier vorschnell der Fehler im Molekül gesucht, statt die Probleme in der industriellen Anwendung zu hinterfragen?
Fakt ist: Die traditionelle Anwendung der ganzen Pflanze zeigte offenbar Erfolge – wurde aber kaum dokumentiert, selten systematisch untersucht und fast nie ernst genommen. Stattdessen schien das Ziel klar: aus einer Heilpflanze einen Wirkstoff zu machen. Und aus einem Wirkstoff ein Produkt.
Ein medizinischer Fortschritt? Vielleicht. Ein Lehrstück über das Zusammenspiel von Wissenschaft, Macht und Profitinteresse? Ganz sicher.
Nun denn… weiter geht´s:
Biochemie und Wirkmechanismus
Die besondere Stärke von Artemisinin liegt in seiner Wirkung auf die Mitochondrien der Plasmodien. Eine Studie aus China (2009) zeigte, dass Artemisinin direkt in die Mitochondrien der Erreger eingeschleust wird. Dort bewirkt die Peroxidbrücke eine massive Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), die die Energiegewinnung der Zellen lahmlegen. Tierische Zellen blieben davon verschont – ein Beweis für die Selektivität.
Ein Verwandter ohne Peroxidbrücke (Deoxy-Artemisinin) war wirkungslos. Eine andere peroxidhaltige Substanz (OZ209) dagegen zeigte eine vergleichbare Wirkung – ROS-Produktion und Depolarisierung des Membranpotentials.
Wie entstehen Resistenzen?
Eine Studie von 2012 untersuchte die Mechanismen der Resistenzbildung gegen Dihydroartemisinin (DHA) – den aktiven Metaboliten aller Artemisinin-Derivate. Zwei Plasmodium-Stämme, ursprünglich 25-fach resistent gegen DHA, entwickelten durch genetische Veränderungen weitere Schutzmechanismen:
- Aktivierung antioxidativer Enzyme
- Überexpression von ABC-Transportern (PFMDR1), die schädliche Stoffe aus der Zelle schleusen
Wurde DHA abgesetzt, gingen sowohl Resistenz als auch Transporteraktivität wieder zurück. Das deutet auf eine direkte Verbindung zwischen ROS-Belastung, Zellschutzmechanismen und Resistenzbildung hin.
Hoffnungsträger in der Krebstherapie?
Die ungewöhnliche Struktur von Artemisinin, insbesondere die reaktive endoperoxide Brücke, ist nicht nur für seine antiparasitäre Wirkung von Bedeutung – sie eröffnet auch neue Perspektiven in der Onkologie. Denn gerade Krebszellen scheinen eine Schwachstelle zu besitzen, die Artemisinin gezielt ausnutzen kann: ihren gestörten Eisenstoffwechsel.
Tumorzellen weisen häufig eine erhöhte Konzentration freier Eisenionen (Fe²⁺) auf. Dieses Eisen wird intrazellulär unter anderem für das schnelle Zellwachstum und die DNA-Synthese benötigt, macht die Krebszelle aber gleichzeitig angreifbar. In Gegenwart von Fe²⁺ kann Artemisinin über Fenton-artige Reaktionen reaktive Sauerstoffspezies (ROS) freisetzen – aggressive Moleküle, die oxidativen Stress auslösen und gezielt die Tumorzelle in den programmierten Zelltod (Apoptose) treiben.
Dieser Mechanismus ist gleich in mehrfacher Hinsicht interessant:
- Selektive Toxizität: Gesunde Zellen, die über eine geringere intrazelluläre Eisenkonzentration verfügen, werden deutlich weniger geschädigt.
- Multimodale Wirkung: Artemisinin wirkt nicht nur zytotoxisch, sondern auch:
- anti-angiogen: Es hemmt die Gefäßneubildung, die für das Tumorwachstum und die Metastasierung entscheidend ist.
- anti-metastatisch: Es kann die Wanderung und Invasion von Krebszellen reduzieren.
- entzündungshemmend: Es greift in tumorbegünstigende Entzündungsprozesse ein.
- wachstumshemmend: Es moduliert verschiedene Signalwege, die an der Zellteilung beteiligt sind.
Ein zentrales Problem der Therapie mit reinem Artemisinin ist jedoch seine kurze biologische Halbwertszeit. Es wird rasch metabolisiert, sodass im Körper nur für kurze Zeit therapeutisch wirksame Konzentrationen verfügbar sind. Um eine relevante Tumorzell-Zytotoxizität zu erreichen, wären daher hohe und mehrfach tägliche Dosen nötig – was Nebenwirkungen oder eine geringe Therapietreue zur Folge haben könnte.
Die Forschung setzt deshalb zunehmend auf halbsynthetische Derivate wie Artesunat oder Dihydroartemisinin, die stabiler sind und besser bioverfügbar gemacht werden können. Auch nanopartikuläre Formulierungen oder Targeting-Strategien, etwa durch Bindung an Transferrin, das bevorzugt von Krebszellen aufgenommen wird, befinden sich in Entwicklung.
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Fazit
Artemisinin ist zweifellos eine pharmakologische Entdeckung mit beeindruckendem Potenzial – nicht nur bei Malaria, sondern auch in der Onkologie. Die molekulare Eleganz dieser Substanz, insbesondere ihre selektive Toxizität über Eisen-induzierte ROS-Bildung, öffnet therapeutische Türen, die klassische Zytostatika oft nur eintreten.
Doch bei aller Faszination für reines Artemisinin und seine Derivate bleibe ich skeptisch. Denn meine Erfahrung zeigt: Die Wirkung der ganzen Pflanze – des Einjährigen Beifußes – ist oft breiter, verträglicher und nachhaltiger als die isolierte Substanz. Es geht nicht nur um die Peroxidbrücke. Es geht um das komplexe Zusammenspiel dutzender weiterer Inhaltsstoffe, die im natürlichen Kontext synergetisch wirken.
Was in der Laborpipette wirkt, muss in der Praxis nicht automatisch überzeugen. Und was patentierbar ist, ist noch lange nicht besser. Wer Artemisia annua auf ein einzelnes Molekül reduziert, verpasst die eigentliche Stärke dieser Pflanze. Für mich steht fest: Die größte Wirksamkeit liegt nicht in der Extraktion – sondern in der Integrität.
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Der Beitrag wurde am 5.6.2025 komplett überarbeitet.