H2O2 oder Wasserstoffperoxid ist ein besonders starkes Oxidationsmittel, welches in Wasser und Sauerstoff zerfällt.

Es wirkt stark ätzend und zytotoxisch, weshalb es sich bei der äußerlichen Anwendung hervorragend als Desinfektionsmittel eignet. So kommt die Substanz heute noch, aber eher selten bei der Behandlung/Desinfizierung von Wunden zum Einsatz.

Wasserstoffperoxid wird auch von unserem Organismus produziert. Ähnlich wie Stickoxid hat Wasserstoffperoxid die Aufgabe eines Signalmoleküls. Bei der oxidativen Metabolisierung von Zucker entstehen relativ große Mengen an Wasserstoffperoxid als Abfallprodukt, die von Katalasen und Peroxidasen neutralisiert werden müssen, um Gewebeschäden abzuwenden.

Die Graufärbung (genauer gesagt Weißfärbung) von Haaren im Alter beruht auf einem abnehmenden Abbau von Wasserstoffperoxid in den Haaren. Wasserstoffperoxid blockiert hier die Aktivität des Enzyms Tyrosinase, welches die Produktion von Melanin kontrolliert.

In der konventionellen Medizin kommt Wasserstoffperoxid in einem begrenzten Maße noch zum Einsatz. In der Zahnmedizin kommt eine dreiprozentige Lösung zur lokalen Desinfektion von Zahngewebe zum Einsatz. Es wird auch zur Stillung von Blutungen verwendet.

In der Notfallmedizin und der konventionellen Medizin dient es als Desinfektionsmittel für Oberflächen, medizinische Instrumente, aber auch zur Desinfektion von Haut und Schleimhäuten.

Vorsicht H2O2

Wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Wasserstoffperoxid beziehen sich in der Regel entweder auf nicht medizinische Anwendungen (als Ätzmittel, zur Herstellung von Sprengstoffen, als Bleichmittel etc.) oder warnen explizit vor einem medizinischen Einsatz.

Eine neue Arbeit vom Juni 2019, die von österreichischen Chirurgen durchgeführt wurde, spricht von negativen Effekten bei der Wundheilung und von zytotoxischen Effekten in höheren Konzentrationen. Von daher gibt es Sicherheitsbedenken gegen den Einsatz von Wasserstoffperoxid bei Operationen.

Eine Arbeit aus dem Jahr 2011 aus Australien hatte bereits zu diesem Zeitpunkt sehr ähnliche Ergebnisse zu präsentieren. Auch hier stehen Sauerstoff-Embolien, mit manchmal tödlichem Ausgang, im Vordergrund der Erwägung, Wasserstoffperoxid bei Operationen nicht zum Einsatz kommen zu lassen.

Schon im Jahr 2004 erschien eine Arbeit aus Großbritannien, die vom „National Poisons Information Service“ vom Stadtkrankenhaus in Birmingham, Großbritannien, erstellt wurde. Das überlange Abstract warnt vor höher konzentrierten Lösungen, die signifikante Mengen an Sauerstoff produzieren können, welche wiederum für das Auftreten von Luft/Sauerstoff-Embolien verantwortlich sind.

Sauerstoff, der in Körperhöhlen eingefangen ist, kann zum Zerreißen von Gewebe führen. Die Schaumbildung kann die Atemwege blockieren, die Schleimhäute verletzen und schwere gastrointestinale Störungen hervorrufen.

Es werden noch weitere Notfallszenarios beschrieben, die allerdings von Konzentrationen ausgehen, die zehn Prozent und mehr Wasserstoffperoxid in einer Lösung beinhalten.

In der Tat ist Wasserstoffperoxid mit Vorsicht zu genießen, da es ein potentes Oxidans ist. Der beim Zerfall des Moleküls freiwerdende Sauerstoff ist hoch reaktiv und wirkt als freies Radikal, welches ergiebige Schäden im Gewebe verursachen kann.

Die Oxidierung von organischen Gewebe, zum Beispiel Zellmembranen, trägt dazu bei, dass pathogene Keime ebenso geschädigt werden, worauf seine desinfizierende Wirkung beruht.

Die undurchsichtige Seite von Wasserstoffperoxid

Eine im Jahr 2006 veröffentlichte Arbeit aus Ungarn beschreibt das Wasserstoffperoxid-Paradoxon. Dieses beschreibt die Tatsache, dass Wasserstoffperoxid in niedrigen Konzentrationen (fast vergleichbar mit denen der Homöopathie) ausschlaggebend für eine Reihe von physiologischen Prozessen ist.

Auf der anderen Seite stehen hohe Konzentrationen, die für menschliche Zellen und Gewebe toxisch sind. Der hauptsächliche Regulator für Wasserstoffperoxid ist das Enzym Katalase.

Bei einem Mangel dieses Enzyms kann es bereits bei geringen Konzentrationen zu pathologischen Veränderungen kommen, die durch Wasserstoffperoxid induziert werden.

Also auch hier gilt das Prinzip, dass die Dosierung beziehungsweise Konzentration die toxischen Kapazitäten einer Substanz bestimmen. So gesehen muss man den Chirurgen beipflichten, den Einsatz von Wasserstoffperoxid hochkonzentriert und in „reichlichen Mengen“ bei größeren Operationen zu vermeiden.

Es ist auffällig, dass es unzählige Studien zu und über Wasserstoffperoxid gibt, die sich jedoch fast ausschließlich auf nicht kurative Aspekte beziehen, wie zum Beispiel die Verbesserung von Methoden, Wasserstoffperoxid und seine Bildung im Organismus zu bestimmen etc. Studien bei einem klinischen Einsatz habe ich nicht finden können.

Ältere Studien, die sich mit Fragen des therapeutischen Einsatzes von Wasserstoffperoxid beschäftigen, stammen zumeist aus den 1950er und 60er Jahren und sind zum Beispiel in PubMed ohne Abstract oder sonst nur schwer auffindbar.

Grund für das Desinteresse an den therapeutischen Möglichkeiten von Wasserstoffperoxid liegt nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass es sich bei dieser Substanz um eine natürliche Substanz handelt, die nicht patentierbar und somit geschäftlich nur dann interessant ist, wenn sein Einsatz unumgänglich ist.

In der Therapie jedoch gibt es hierfür patentierbare Konkurrenz, die von der Pharmaindustrie bereitgestellt wird und damit Wasserstoffperoxid obsolet werden lässt.

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Therapien mit Wasserstoffperoxid

Es existiert ein Buch mit dem Titel: „Wasserstoffperoxid: Das vergessene Heilmittel“. Eine relativ lange Einführung zu diesem Buch veröffentlichte Nexus auf seiner Webseite. Das hier vorgelegte Material beruht auf historischen Belegen und auf Studien, die zumeist vor 30 und mehr Jahren durchgeführt wurden.

Auf YouTube gibt es ein ausführliches Interview mit dem Verfasser dieses Buchs: Dr. habil. Jochen Gartz: Wasserstoffperoxid – das vergessene Heilmittel.

Er beschreibt Wasserstoffperoxid als eine Art „Multitalent“ bei der Behandlung von einer ausgedehnten Reihe von Erkrankungen. Hier eine Auswahl, wo Wasserstoffperoxid gute Dienste leisten soll:

Krankheiten der Mundhöhle und der Zähne wie Abszesse der Alveolen, Gaumen- und Zahnfleischentzündungen und Blutungen, Karies und Zahnfäulnis.

Hautkrankheiten wie Ekzeme, Psoriasis, Erysipel, Juckreiz, Sonnenbrand, Akne, Entzündungen der Haut durch Mücken- und Moskitostiche, Herpes Zoster, Flechten, Windpocken, Frostbeulen, aufgesprungene Hände und Sommersprossen.

Krankheiten des Uro-Genitaltraktes wie Gonorrhö (Tripper), chronischer Tripper, Harnwegentzündungen, Paraphimosen, Ausfluss, Entzündungen der Vulva und der Vagina, Muttermund-, Gebärmutter- und Gebärmutterschleimhautentzündungen, Gebärmutterkrebs, Vaginalabszesse, Vaginalfisteln, Geschwüre, Blasenentzündungen, Nieren- und Nierenbeckenentzündungen, Diabetes I+II

Chronische und akute Geschwüre wie Abszesse, Karbunkel, Lupus, Aftergeschwüre, Analfisteln und Hämorrhoiden

Entzündungen und eiternde Krankheiten der Ohren: Mittelohrentzündungen und Tubenkatharr

Entzündungen und ansteckende Augenkrankheiten wie Hornhaut-, Augenlider- und Augenentzündungen, Hornhauttrübungen

Entzündungen und ansteckende Krankheiten des Verdauungstraktes wie Magenentzündungen, Magengeschwüre, Magenblutungen, Vergiftungen, Verstopfungen, Durchfälle, Typhoides Fieber, Cholera, Gelbfieber und Thyphus

Krankheiten der Nase, des Rachens, Atmungsorgane wie Katarrh, Asthma, Schnupfen, Grippe, Entzündungen der Bronchien und des Rachens, Angina, Pseudo-Krupp, Keuchhusten, Tuberkulose, Diphterie und Scharlach

Die Frage der Dosierung

Die Empfehlung für eine inneren Anwendung liegt im Milligramm Bereich. Der Autor warnt explizit, auf „keinen Fall größere Mengen an dreiprozentiger Lösung oder gar höher konzentrierte Lösungen in den Magen gelangen zu lassen“.

Der Grund hierfür liegt angeblich nicht in einer Verätzung der Schleimhäute von Mund, Speiseröhre und Magen sondern in einer möglichen plötzlichen Entwicklung von Sauerstoff, der „das dortige Gewebe zerreißen“ kann.

Die Dosierung, die der Autor empfiehlt, sind wenige Tropfen einer dreiprozentigen Lösung auf ein Glas Wasser, was gegen Arthrose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erschöpfung etc. wirksam ist. Wissenschaftliche Erklärungen, warum eine so geringe Dosierung wirksam ist, gibt es nicht.

Es ist aber nicht auszuschließen, dass hier Effekte wirksam sind, wie wir sie von der Homöopathie her kennen.

Fazit

Wasserstoffperoxid ist ein vergessenes Heilmittel, für das es wenig wissenschaftliche Beweise aus der Neuzeit gibt. Die meisten wissenschaftlichen Arbeiten sind 30 Jahre und älter. Und viele Empfehlungen beruhen auf Erfahrungsberichten.

Wasserstoffperoxid in hohen Dosierungen ist potentiell gefährlich, da die Substanz als Oxidans aggressiv Membranen und organische Moleküle angreift und zerstört.

Es wird zwar bemerkt, dass hochkonzentrierte Lösungen mit Wasserstoffperoxid nicht zu Verätzungen führen, sondern dass bei oraler Einnahme sich plötzlich entwickelnder Sauerstoff im Magen dortiges Gewebe „zerreißt“ aufgrund des damit sich einstellenden Überdrucks.

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Erklärung den wahren Sachverhalt wiedergibt. Denn ein Überdruck von im Magen entstehendem Gas geht in der Regel unproblematisch über die Speiseröhre wieder zum Mund hinaus.

Und Verätzungen mit hoch konzentriertem Wasserstoffperoxid treten bei oraler Gabe nicht erst im Magen auf, sondern machen sich bereits im Mund-, Rachen-und Speiseröhren-Bereich bemerkbar.

Verdünnte Konzentrationen von drei Prozent dagegen sind zu mindestens aus der Sicht von Nebenwirkungen unproblematisch.

Für die hier aufgezählten Wirkungen, die auch in dem Buch zur Sprache kommen, gibt es leider nicht die klinischen Studien, die notwendig wären, um hier mit einiger Gewissheit sagen zu können, dass Wasserstoffperoxid bei diesen Indikationen wirksam ist.

Das Fehlen dieser Studien heißt allerdings auch nicht, dass Wasserstoffperoxid nicht wirksam ist beziehungsweise sein kann.

Und die Chancen, dass solche Studien durchgeführt werden, sind gleich null, da es mit der Substanz im Gesundheitsbereich kein Geld zu verdienen gibt.

Beitragsbild: 123rf.com – Vladimir Soldatov

Dieser Beitrag wurde am 25.8.2019 erstellt.

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