Wenn man weiß, was Neuroleptika für Wirkungen haben können, ist man sich klar darüber, dass deren Einsatz strengstens abgewogen werden muss.

Immer häufiger werden ungezogene Kinder (also ganz normale Kinder) mit den psychoaktiven Wirkstoffen malträtiert. Ja geht´s denn noch – oder was?

Neuroleptika oder auch „Antipsychotika“ genannt, sind Medikamente gegen Psychosen. Das sind schwere akute Schübe, die im Rahmen von psychiatrischen Grunderkrankungen wie Schizophrenien und manischen Depressionen auftreten.

Eine Psychotherapie kann in dieser Situation nicht mehr helfen, daher sind Neuroleptika die einzige Möglichkeit, die Erkrankung zu behandeln. Auch zur Prophylaxe müssen viele Patienten die Präparate einnehmen.

Neuroleptika werden zudem bei anderen psychischen Beschwerden eingesetzt. Dazu gehören Angstzustände und innere Unruhe mit Schlafproblemen. Daneben sollen die Antipsychotika Spannungszustände dämpfen.

Neuroleptika können nicht die Ursachen der psychiatrischen Krankheiten heilen, sondern nur die schweren Symptome lindern. Die problematischen Nebenwirkungen werden dabei als hinnehmbar angesehen, weil sie im Verhältnis zum Nutzen für den Patienten gering erscheinen.

Neuroleptika können eine Gewichtszunahme zur Folge haben, sie interagieren aber auch mit dem Hormon-Stoffwechsel und verursachen manchmal Herzrhythmus-Störungen. Am häufigsten und fast regelmäßig induzieren die Präparate Bewegungsstörungen.

Beim Gehen wirken die Patienten dann unflexibel und die Fein-Motorik ist eingeschränkt. Unkontrollierte Bewegungen treten hinzu wie zum Beispiel Grimassen schneiden oder mit dem Körper hin und her wippen.

Problematisch ist, dass Neuroleptika im Körper gespeichert und sehr langsam abgebaut werden. Mögliche Spätfolgen bei jahrelanger Medikation können Unruhe, Zittern und Tics sein. Diese irreversiblen Beschwerden werden als „Spätdyskinesien“ bezeichnet.

Besonders schwerwiegend sind diese Nebenwirkungen dann, wenn bereits Kinder mit Neuroleptika behandelt werden. Nun sind Psychosen im Kindesalter so selten, dass es für diese Fälle gar keine zugelassenen Präparate gibt. Die Pharma-Konzerne scheuen die hohen Entwicklungskosten, die sich in Anbetracht der geringen Umsätze niemals rentieren würden.

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Trotz des Fehlens geeigneter Präparate verschreiben Ärzte Antipsychotika für Kinder, wenn sie an Psychosen erkrankten. Rechtlich möglich ist dies im Rahmen der sogenannten „Kurierfreiheit“, innerhalb derer Medikamente auch außerhalb der betreffenden Indikation verordnet werden dürfen. Dieses „Off-Label-Use“ war und ist in der Behandlung von kindlichen Psychosen bis heute üblich.

Daran ist wenig Kritik zu üben, allerdings hat in den letzten Jahren auch die Medikation mit Neuroleptika gegen andere Beschwerden bei Kindern enorm zugenommen.
Die Amerikanische Ärztevereinigung hat seit Jahren davor gewarnt, Kindern (mit Ausnahme der Kinder, die an einer Psychose leiden) Neuroleptika zu verordnen.

So hat sich die Zahl der Kinder in den USA, die Psychopharmaka (darunter auch Neuroleptika) bekommen, angeblich versechsfacht.

Am häufigsten erhalten Jungen europäischer Herkunft mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) diese Medikamente. Die Ursache für die Verhaltensauffälligkeiten, Stimmungsschwankungen und Aggressionen werden mit der Schwierigkeit, in einem fremden Land mit anderer Kultur zurecht zu kommen, erklärt.

Diese Probleme sind demnach eher pädagogisch als psychiatrisch.

In der Sendung „Report Mainz“ wurde am 20.10.2008 berichtet, dass auch in Deutschland eine damals noch nicht veröffentlichte Studie der Universität Köln darauf hinweist, dass sich in den letzten sechs Jahren die Verschreibungszahlen der neuroleptischen Arzneien vervierfacht haben.

Dieser verhängnisvolle Trend setzt sich offensichtlich fort. Mittlerweile sollen viele schwierige Kinder Antipsychotika einnehmen, weil Eltern, Erzieher und Lehrer überfordert sind. Diesen Missbrauch der Neuroleptika kritisiert auch die Bundes-Psychotherapeuten-Kammer (BPtK). 2014 legte der Verband dazu erschreckende Zahlen vor, die aus Statistiken der Barmer GEK hervorgehen.

Demzufolge hat die Zahl der Minderjährigen, die klassische Antipsychotika einnehmen, von 2005 bis 2012 um über 41 % zugenommen. Noch höher ist der Verbrauch der atypischen Antipsychotika angestiegen.

Diese Präparate der „neuen Generation“ verzeichnen ein Umsatz-Wachstum bei jugendlichen Patienten um 129 %. Angeblich sollen die Nebenwirkungen der moderneren Wirkstoffe weniger gravierend sein. Doch ist die Frage angebracht: haben Psychosen unter Jugendlichen in demselben Maße zugenommen wie es die Verschreibungsflut vermuten lässt?

Da dies eindeutig nicht der Fall ist, muss es dafür einen anderen Grund geben. Eine unrühmliche Rolle spielt dabei der Pharma-Riese Janssen-Cilag.

Dessen atypisches Antipsychotikum Risperidal (Risperdon) soll mit einem Trick höhere Umsätze erzielen. Und das Zauberwort heißt auch hier „Off-Label-Use“.

Nicht mehr gegen die schwer behandelbaren Psychosen sollte das Präparat verschrieben werden, sondern auch bei anderen Symptomen, die kurzerhand für Indikationen erklärt wurden. Dem Konzern gelang es, dies bei den Zulassungsbehörden genehmigen zu lassen.

Nun dürfen mit Risperdal ganz offiziell einige Probleme angegangen werden, die gar keine Psychosen sind. Dazu gehören „Störungen des Sozialverhaltens, Oppositionelles(n) Trotzverhalten(s) oder anderen(m) sozial störenden Verhalten bei Kindern (ab fünf Jahren) (und) Jugendlichen“ sowie „Reizbarkeit/Aggressionen, Stereotypenverhalten und Hyperaktivität“ (ADHS-Syndrom), (Zitat Janssen-Cilag).

Seit 2006 ist Risperdal sogar zur Behandlung von Autismus bei Minderjährigen zugelassen. Seltsamerweise verzichtete der Konzern auf die Nennung des Indikationsgebietes „Psychose“, die eigentliche und ursprüngliche Erkrankung, gegen die Neuroleptika helfen sollten. Dass diese Erkrankung nun ausdrücklich aus dem Indikations-Spektrum herausgenommen wurden, ist schwer verständlich.

Warum Janssen-Cilag die Indikationen von Risperdal erweitert hat, ist hingegen klar ersichtlich. So schnellt nicht nur der Umsatz in schwindelerregende Höhe, sondern erreicht noch ein anderes, strategisches Ziel: in den USA verlängert sich der Patent-Schutz eines Medikamentes, wenn neue Indikationen bei einem Wirkstoff hinzukommen.

Ein Zusammenhang zwischen Medikation, dem ADHS-Syndrom und bipolarer Verhaltensstörungen wurde noch nicht erwähnt.


Beitragsbild: 123rf.com – Vladimir Soldatov

Dieser Beitrag wurde letztmalig am 29.04.2018 aktualisiert.

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