Die Verwendung von Blutegeln im Sinne einer Blutegeltherapie lässt sich bis zum Jahre 1500 v. Chr. zurück verfolgen. Nachgewiesen ist die Behandlung bereits im antiken Mesopotamien. Der Grieche Nikandros von Colophon brachte im 2. Jahrhundert das Verfahren nach Europa, wo es im Mittelalter weite Verbreitung – so jedenfalls eine Überlieferung.

Die Geschichte der Blutegeltherapie

Die Blutegeltherapie erfreute sich ab dem 19. Jahrhundert einem wachsenden Zuspruch, woraufhin die natürliche Population der Blutegel stark unter Druck geriet und folglich immer weniger Egel zur Verfügung standen. Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die Blutegeltherapie vor allem in Frankreich einen Höhepunkt.

Innerhalb weniger Jahrzehnte wurden dort mehrere hundert Millionen Tiere “verbraucht”. Das Ganze wurde natürlich völlig übertrieben. Es liegen Berichte vor, denen zu Folge manche Patienten mit bis zu 80 Blutegeln (pro Sitzung!) behandelt wurden. Dies führte zu Sprichwörtern wie, “man wird bis auf den letzten Tropfen Blut ausgesaugt”.

Dies führte dazu, dass die Blutegeltherapie immer seltener durchgeführt wurde, was sich erst um 1980 wieder änderte. Inzwischen dürfen aus hygienischen und naturschutzrechtlichen Gründen nur noch Tiere aus Zuchtfarmen verwendet werden. Zunächst hatten Schönheitschirurgen die Blutegel zur Behandlung von Stauungen und Blutansammlungen wiederentdeckt.

Symbiose hilft dem Wirtstier

In der Natur bissen sich die Verwandten es Regenwurms überwiegend in der Haut von Rindern fest. Daraufhin lebten die Blutegel für längere Zeit mit dem Wirt zusammen und konnten dabei ihr Körpergewicht verzehnfachen. Doch die Tierchen erhielten nicht nur das Blut zu Ernährung, sondern gaben dem Wirtstier auch etwas im Gegenzug: Die zahlreichen, bis heute 100 nachgewiesenen Wirkstoffe im Speichel des Blutegels. Bei 20 dieser Verbindungen ist eine gesundheitsfördernde Wirkung wissenschaftlich belegt. Weil sowohl Wirt als auch sein „Gast“ von dem Zusammenleben profitieren, handelt es sich um eine Symbiose.

Die Blutegeltherapie macht sich die Ernährungsgewohnheiten des Tieres zunutze. Blutegel besitzen am Vorder- und Hinterende jeweils einen Saugnapf. Der Hintere dient zum Festhalten, der am Vorderende trägt die Mundöffnung. Die Mundöffnung trägt 3 Kalkzähne, die zum anritzen der Haut dienen.

Die Wirkstoffe im Überblick

Neben den Enzymen Destabilase, Apyrase, und Hyaluronidase und Faktor-Xa-Inhibitoren enthält das Speichel-Sekret der Tiere Eglin, Calin und Bdellin, die Mischungen aus Polypeptiden darstellen. Die Verbindungen sorgen in ihrer Gesamtheit für eine höhere Viskosität des Blutes und beugen Thrombosen vor. Venen- und Lymph-Stauungen werden gelöst, auch das Bindegewebe mitsamt der muskulären Faszien lockern sich auf. Einige Wirkstoffe entfalten auch antibiotische Wirkungen, die durch entzündungshemmende Effekte ergänzt werden. Nachgewiesen ist auch eine Senkung des Blutdrucks durch die Blutegel-Therapie. Eine besonders positive Eigenschaft für den Kreislauf ist die Anregung der Erythrozyten-Bildung. Die neuen Blutzellen sind elastischer und können die Versorgung in den engen Kapillaren besser bewerkstelligen. Im Umfeld der behandelten Körperstellen haben sich Schlackern und Giftstoffe angesammelt, die der Egel aussaugt. Zugute kommt dabei auch das Nachbluten im Anschluss an die Behandlung. Die Senkung des Bluteisengehalts kann Gefäßschädigungen vermeiden helfen.

Diese Wirkungen helfen den Patienten vor allem auch durch eine Linderung von Schmerzen. Menschen mit erkrankten Gelenken können sich besser bewegen und so den Krankheitsverlauf von Arthrose, Arthritis und Rheuma günstig beeinflussen. Weniger Schmerzen tragen auch zu einem besseren psychischen Wohlbefinden bei. Daher kann die Egelbehandlung auch die Therapie bei Depressionen unterstützen.

Blutegel am Unterarm eines Patienten

Abb.1: Blutegel am Unterarm eines Patienten. Nachdem die Tiere sich “festgesaugt” haben (was übrigens völlig schmerzlos ist), machen es diese sich gemütlich. Das Saugen merkt man, bisweilen machen die Tiere aber auch eine “Trinkpause” und scheinen zu weilen auch einzuschlafen.

Die Bissstelle eines Blutegels nach 6 Tagen

Abb.2: Die Bissstelle des Blutegels aus Abb.1 nach 6 Tagen. Die Wunde neigt noch einige Tage nach der Therapie zum Juckreiz. Die Bissstelle verblasst innerhalb von zwei Wochen. Eine winzige Narbe in Form eines Punktes kann zurückbleiben. Hierüber sollten die Patienten natürlich informiert sein!

Nach wie vor werden Blutegel der Art Hirudo medicinalis bei vielfältigen Krankheitssymptomatiken eingesetzt. Hierzu gehören vor allem venöse Erkrankungen, sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates.

Positive Erfahrungen liegen bei folgenden Erkrankungen vor:

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Anwendung

Zwei Tage vor Beginn einer Blutegeltherapie sollte die zu behandelnde Hautstelle nicht mehr mit Kosmetika in Berührung kommen, denn die Tiere sind relativ “empfindlich”, denn sie verfügen über eine ausgezeichnete Sensorik bezüglich Wärme, Bewegung und auch chemischen Reizen. Zur Vorbereitung auf die Behandlung gehört auch viel Ruhe, Sport sollte nicht getrieben werden. Auch das Trinken von viel Flüssigkeit ist ratsam. Einige Medikamente (wie Gerinnungshemmer) sollte der Patient absetzen.

Der Therapeut hat einen bequemen Sessel oder eine Liege vorbereitet. Darauf nimmt der Patient Platz und die zu behandelnde Stelle wird mit kaltem, klaren Wasser abgerubbelt, um die Durchblutung anzuregen. Dort wird die Haut mit einer Nadel angestochen oder angeritzt. Der Blutegel sitzt in einem Reagenzglas und wird über die kranke Stelle gestülpt, sodass der Egel sich auch dort festsaugt, wo man ihn haben möchte. Der Therapeut deckt die Tiere mit Mull ab, weil sie im Halbdunkel lieber fressen. Nun lässt man die Tierchen ihre Arbeit tun, bis sie von selber nachlassen. Das kann 10 Minuten dauern oder auch 2 Stunden. In dieser Zeit entnehmen die Egel rund 10 ml Blut. Die Egel kommen mit so einer Mahlzeit bis zu 2 Jahren ohne weitere Nahrung aus und werden dabei bis zu 20 Jahre alt. Allein diesen Faktor finde ich absolut faszinierend.

Wenn aus irgendwelchen Gründen ein Abbruch der Behandlung erforderlich ist, berührt der Therapeut die Tiere mit einem Holzstapel oder er reizt sie mit einem in Alkohol getränkten Tupfer. Die verwendeten Tiere dürfen nur einmal eingesetzt werden, um Infektionen zu vermeiden. Entweder werden sie nach der Behandlung fachmännisch und schmerzlos abgetötet oder zum Züchter zurückgeschickt, der sie wieder der Fortpflanzung zuführt.

Die Anzahl der verwendeten Blutegel richtet sich nach dem physiologischen Befinden des Patienten, vor allem nach seinem Gewicht und dem Alter. Krankheit und Ausdehnung des Behandlungsortes spielen ebenfalls eine große Rolle. Manchmal setzt der Therapeut nur einen Blutegel an, es können aber auch bis zu deren 12 sein. Die Behandlungspunkte bluten bis zu 2 Tage nach, wobei rund 40 ml Blut austritt, das Gift- und Schlackenstoffe in sich trägt. Deswegen wird die Blutegelbehandlung oft als „kleiner Aderlass“ bezeichnet. Dieses Nachbluten ist in der ersten Stunde am stärksten. Hier lasse ich den Patienten noch in der Praxis “sitzen”. Danach werden die Bissstellen verbunden (mit reichlich Wundauflagen). Diese werden im Verlauf der nächsten Stunden erneuert, was einfach durch den Patienten geschehen kann.

Die Blutegel können theoretisch an jeder Stelle des Körpers eingesetzt werden, jedoch sollten Stellen mit mangelnder Durchblutung ausgespart werden. Ferner sind Handflächen, Brustwarzen, Geschlechtsorgane, das Umfeld großer Venen und offenen Wunden weitere Ausnahmen.

In vielen Fällen hilft schon eine Behandlung für Monate oder manchmal Jahre. Oft muss die Therapie allerdings häufiger durchgeführt werden, selten ist eine regelmäßige Anwendung erforderlich. Zwischen den Behandlungen sollten 3 bis 5 Tage liegen.

Kontraindikationen für Blutegel

  • Allergien gegen Hirudin
  • Akute Magengeschwüre oder Darmgeschwüre
  • vermehrte Blutungsneigung (z.B. Hämophilie = “Bluterkrankheit”)
  • Blutgerinnungsstörungen durch Medikamente (z.B. Heparin, Marcumar); bei niedrig dosiertem ASS kann eine Behandlung in Frage kommen, muss aber individuell abgeklärt werden
  • Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie)
  • Anämie
  • Arteriellen Verschlusskrankheit (AVK)
  • Nierenversagen (Dialyse)
  • Leberzirrhose
  • Hauterkrankungen an der Stelle an der die Blutegel zum Einsatz kommen sollen
  • Anämie (Blutarmut)
  • Immunsuppression
  • Autoimmun-Krankheiten
  • Schwere Krebserkrankung mit laufender Chemotherapie
  • Geschwüre des Magen-Darm-Traktes
  • Schwangerschaft
  • Bei einer Neigung zu extremen Narbenbildungen (Keloidbildungen) sollte eine Behandlung geprüft werden

Weitere Kontraindikationen sollten vor Therapiebeginn individuell besprochen werden.

Nebenwirkungen der Behandlung

Meistens ist die Blutegelbehandlung gut verträglich. Trotzdem können manchmal Nebenwirkungen auftreten, dazu gehören Infektionen, Hämatome, Juckreiz, Hautrötungen, Allergien, Schwellungen, Fieber und Schüttelfrost. Auch ein stark abfallender Blutdruck sowie Schock sind möglich, wenn auch äußerst selten.

Nur ausgebildete Therapeuten dürfen die Behandlung durchführen

Die Blutegeltherapie ist wissenschaftlich anerkannt. Viele Studien haben deutliche Verbesserungen der Krankheitsymptomatiken nach erfolgter Therapie gezeigt. Dabei wurden unterschiedliche Erkrankungen erfolgreich therapiert.

Da es sich um ein invasives Verfahren handelt, dürfen nur dazu qualifizierte Personen wie Ärzte oder Heilpraktiker die Blutegelbehandlung durchführen.


Beitragsbild: fotolia.com – 7activestudio

Dieser Beitrag wurde letztmalig am 11.03.2022 aktualisiert.

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